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Krishna Premarupa Dasa

Jesus Christus? Er ist unser Guru

Für viele ist Weihnachten mehr ein kulturelles und soziales Ereignis mit eher geringer spiritueller Bedeutung geworden. Da Weihnachten näher rückt und auch ich mit meiner Mutter und unserer Familie die Geburt des Christkind feiern werde, reflektierte ich etwas darüber, wie wir als Hindu (Gaudiya Vaishnavas) zu Jesus stehen. 

© IRAS COTIS

Srila Prabhupada, der Gründer der Hare Krishna Bewegung, wurde in Melbourne, Australien, von einer Gruppe christlicher Priester besucht und sie fragten ihn: «Was halten Sie von Jesus Christus?» Srila Prabhupada antwortete: «Er ist unser guru. Er predigte Gottesbewusstsein, und deshalb ist er unser spiritueller Meister.» Srila Prabhupada erzählte später von der Begegnung und ergänzte: «Im Grunde muss jeder, der Gottes Herrlichkeiten predigt, als guru anerkannt werden. Jesus Christus ist solch eine Persönlichkeit. Wir sollten ihn nicht für einen gewöhnlichen Menschen halten. Wenn Jesus Christus ein gewöhnlicher Mensch gewesen wäre, hätte er nicht Gottesbewusstsein überbringen können.» [1]

«Die wahre Hingabe an Gott zeigt sich nicht nur in Worten, sondern auch in der Art, wie wir denken, fühlen und handeln.»

Christen betonen oft, dass wir nur an Jesus Christus glauben müssen und dass dieser Glaube an ihn genügt, um errettet zu werden. Das Srimad Bhagavatam bestätigt, dass die Türen zur Befreiung geöffnet werden, wenn man eine starke Bindung zu einem reinen Gottgeweihten entwickelt. Gleichzeitig betonte Prabhupada immer, dass Liebe auch bedeutet, den Anweisungen des Meisters zu gehorchen und ihm nachzufolgen, etwas, das Jesus auch von seinen Jüngern erwartet hat: «Wenn du mich liebst, wirst du meine Gebote halten.» [2] Die wahre Hingabe an Gott zeigt sich nicht nur in Worten, sondern auch in der Art, wie wir denken, fühlen und handeln. 

Jesus spricht über Demut

Eine eindrückliche Beschreibung von Symptomen der Hingabe findet man in den Lehren von Srila Bhaktivinoda Thakur (1838-1914), einem grossen Gelehrten der Krishna-Bhakti. Der Vergleich seiner Worte mit den Lehren Jesu Christi zeigt deutlich, wie eng das Christentum und das Vaishnavatum eigentlich zueinander stehen. Jesus spricht über Demut: «Wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, dass ihr umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie dies Kind, der ist der Grösste im Himmelreich.» [3] Bhaktivinoda betet: «Oh Herr, ich bring Dir dieses demütige Gebet zu Deinen Füssen dar. (…) Ich finde keine Kraft, wieder aufzustehen. Niemals gab es eine Seele, die gefallener war als ich.» [4]

«Sieh dir die Luftvögel an. Sie säen oder ernten nicht und lagern nicht in Scheunen, und doch füttert dein himmlischer Vater sie.»

Jesus betonte die Wichtigkeit von Hingabe zu Gottes Willen: «Denn ich bin vom Himmel herabgekommen, um nicht meinen eigenen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.» [5] Bhaktivinoda drückt seine Hingabe zum Herrn wie folgt aus: «O barmherziger Herr, was immer man mit den Worten ‹Ich› und ‹Mein› bezeichnen kann, lege ich Dir zu Füssen. Nicht einmal mein eigenes Selbst betrachte ich als ‹Mein›, o Herr. Ich gehöre ausschliesslich Dir. Dein Wille ist mein Wille. Von heute an hat Bhaktivinoda seine eigenen Wünsche vergessen und sich Dir vollständig hingegeben.» [6]

Die Wissenschaft von Gott

Jesus spricht über den Glauben an den Herrn: «Darum sage ich dir, sorge dich nicht um dein Leben, was du essen oder trinken wirst; oder über deinen Körper, was du anziehen wirst. Ist das Leben nicht mehr als Essen und der Körper mehr als Kleidung? Sieh dir die Luftvögel an. Sie säen oder ernten nicht und lagern nicht in Scheunen, und doch füttert dein himmlischer Vater sie. Bist du nicht viel wertvoller als sie? » [7] Bhaktivinoda Thakur spricht vom Vertrauen, dass der Herr seine Geweihten erhalten wird: «In meinem Herzen bin ich immer bestrebt, für den Unterhalt meiner Frau und Kinder, meiner Verwandten und meines eigenen Körpers zu sorgen. Durch die Hingabe des Selbst habe ich meine Angst verloren. Du, o Herr, wirst sicher für den Unterhalt Deines Haushalts Sorge tragen; die ganze Welt ist unter Deiner Kontrolle. Ich werde nie an meine eigenen Bedürfnisse denken, sondern mich in grosser Liebe in meinen Meister versenken. Bhaktivinoda akzeptiert Dich als seinen Erhalter und Beschützer.» [8]

Wenn man diese Aussagen hört, ist es nicht mehr erstaunlich, dass Srila Prabhupada betonte: «Wir widersprechen nicht den Lehren von Jesus Christus, denn er spricht über dasselbe, worüber wir auch sprechen, über die Wissenschaft von Gott!» [9]

[1] Srila Prabhupada, Schönheit des Selbst, Kapitel 4 
[2] Johannes 14:15 
[3] Matthäus 18:3-4 
[4] Bhaktivinoda Thakur, Saranagati, Dainya – Lied 6 
[5] Johannes 6:38 
[6] Bhaktivinoda Thakur, Saranagati, Atma-nivedana – Lied 3/4 
[7] Matthäus 6:25-34 
[8] Bhaktivinoda Thakur, Saranagati, Goptrtve-varana – Lied 2/3
[9] Srila Prabhupada Interview, San Francisco, 12.3.1968 


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Krishna Premarupa Dasa lebt seit über 20 Jahren als Mönch und Priester im Krishna Tempel Zürich. Er vertritt die Krishna-Bhakti-Tradition im Schweizerischen Dachverband für Hinduismus und ist Mitglied im erweiterten Vorstand des Zürcher Forums der Religionen.