Christentum  ·  Ökologie
Damian Kessi

Umweltschutz geht auch in der Kirche

Allen christlichen Konfessionen gemeinsam ist der Glaube, dass die Erde und alles Leben auf ihr von Gott erschaffen und den Menschen zum verantwortungsvollen und sorgfältigen Umgang anvertraut ist. Dieser Glaube verpflichtet Christinnen und Christen dazu, mit der Erde als Geschenk Gottes respektvoll umzugehen. Aus diesem Glauben heraus setzen sich Kirchen aller Konfessionen seit den Anfängen der Umweltbewegung für den Umweltschutz ein: Der ökumenische Verein Oeku tut dies zum Beispiel seit über 30 Jahren.

Die biblische Schöpfungsgeschichte im Alten Testament ist keine historische Schilderung. Dem Menschen kommt keine überlegene oder übergeordnete Bedeutung zu, keine Vormachtstellung, die es ihm erlaubt, die Erde auszubeuten und sie auf der Suche nach dem eigenen Profit zu zerstören. Die biblische Schöpfungsgeschichte erzählt vielmehr vom Bezug Gottes zur Welt und den Geschöpfen: Schöpfung ist ein Teil des Beziehungsgeschehens zwischen Gott und der Welt. In dieser Sichtweise ist der Mensch nicht Mittelpunkt und Ziel der Schöpfung, sondern Teil von ihr – als Mitgeschöpf. Er ist eingebunden in ein Netzwerk aus Leben, welches die Wesen miteinander und mit Gott verbindet. Die Welt als Schöpfung zu verstehen, heisst, sie in das Licht ihrer Zukunft, ihrer göttlichen Vollendung zum Reich Gottes zu rücken. Es handelt sich nicht um eine genaue Darstellung der Welt, sondern um eine Deutung aus der Perspektive des Glaubens. Diese Sichtweise hat sich allerdings erst allmählich und im Lichte der ökologischen Krise entwickelt. Und sie hat sich noch längst nicht überall durchgesetzt. Sie verfügt allerdings über eine grosse Erneuerungskraft, die den beiden grossen Landeskirchen, der reformierten und der römisch-katholischen, neuen Aufschwung und neue Inhalte liefern könnte.

Eine Perspektive des Glaubens

Die biblisch-theologische Sicht auf Natur und Umwelt unterscheidet sich nach diesem Verständnis grundlegend von einem naturwissenschaftlichen Blick: Die Welt als Schöpfung wahrzunehmen, ist nur möglich aus der Teilnehmer:innen-Perspektive, nicht aus der Beobachter:innen-Perspektive. Kirchen sehen die Natur und die Umwelt nicht als eine die Menschen umgebende Objektwelt, sondern als Gaben Gottes. Als Teilnehmer:in in Gottes Schöpfungsgemeinschaft zu leben, zeigt sich in einer Haltung und Praxis der gemeinsamen Verantwortung für das anvertraute Gut des Lebens.

Mutiges Handeln zugunsten eines gerechten, friedlichen und umweltbewussten Zusammenlebens der Menschen gehört ebenso zur Haltung von Christinnen und Christen wie Gelassenheit und Vertrauen in das erlösende Wirken Gottes. 

Christinnen und Christen sind demzufolge gerufen, für die gesamte Schöpfung Verantwortung zu übernehmen und ihr Entscheiden und Handeln nach dieser Mitverantwortung auszurichten. Die Gründe für den besorgniserregenden Zustand der Welt liegen in unserem Umgang mit Natur und Umwelt und lassen sich zum grossen Teil wissenschaftlich rekonstruieren und erklären. Die Ursachen für diesen Umgang liegen aber tiefer, aus biblischer Sicht im Schicksal der Schöpfung nach dem Sündenfall. Gleichzeitig vertrauen Christ:innen darauf, dass die ganze Schöpfung in Gottes Hand liegt und letztendlich seiner Erlösung bedarf. Mutiges Handeln zugunsten eines gerechten, friedlichen und umweltbewussten Zusammenlebens der Menschen gehört ebenso zur Haltung von Christinnen und Christen wie Gelassenheit und Vertrauen in das erlösende Wirken Gottes. 

Im ehemaligen Benediktinerkloster in Beinwil pflegen seit Januar 2019 vier orthodoxe Ordensleute ihren Garten. © Vera Rüttimann
Im ehemaligen Benediktinerkloster in Beinwil pflegen seit Januar 2019 vier orthodoxe Ordensleute ihren Garten. © Vera Rüttimann

Ethische Konsequenzen

Wenn aber alles, was existiert, eine Gabe Gottes ist (auch die eigene Existenz), so hat das weitreichende Konsequenzen für das Handeln des Menschen auf der Welt, die weit über die klassische ökologische Sicht hinausgehen. So schliesst ethisch-theologisches Handeln immer auch eine generationenübergreifende Perspektive, die auch zukünftige Menschen mit einbezieht und eine gerechtigkeitsethische Sicht, die nicht nur auf nachhaltige Formen von Produktion und Verbrauch fokussiert, sondern zugleich auf faire und gerechte Verfahren der Verteilung und Nutzung der Güter in der Gegenwart, mit ein. Eine solche Perspektive korreliert stark mit aktuellen Konzepten von Nachhaltigkeit, die neben der ökologischen immer auch eine politische, ökonomische und eine soziale Dimension haben. Die Gerechtigkeitsfrage wird dabei nicht auf die menschlichen Bedürfnisse und Angelegenheiten beschränkt, sondern konstitutiv auf die aussermenschliche Umwelt ausgedehnt. Bis ein solches ethisch-theologisches Handeln die christlichen Kirchen in all ihren konfessionellen Ausprägungen durchdrungen hat und tatsächlich auch konsequent umgesetzt wird, wird noch einige Zeit vergehen.

Die Anfänge kirchlichen Umweltschutzes

Kirchen haben sich von Anfang an mit eigenen Stellungnahmen und Programmen zum Klimaschutz bekannt. In den 1970er und 1980er-Jahren gehörten die Kirchen weltweit und in der Schweiz zu den ersten Stimmen, die vor dem Klimawandel warnten. In Zusammenarbeit mit der Europäischen Physikalischen Gesellschaft wurde das Thema auf der ersten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel 1989 breit diskutiert und in die Schlusserklärung aufgenommen. Seither findet eine fachlich gut abgestützte und theologisch-ethisch argumentierende Auseinandersetzung mit dieser Problematik unter den Schlagwörtern von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung statt, immer auch unter dem Gesichtspunkt des eigenen Verhaltens.

Es existieren diverse kirchliche Netzwerke, in denen vertieft über diese Fragen ausgetauscht wird. Die Schweizerische Bischofskonferenz SBK und die evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS haben sich bereits mehrfach zu Gesetzesentwürfen geäussert oder Appelle an internationale Klimagipfel gerichtet. Die EKS hat sich zuletzt mit der Broschüre: «10 Fragen 10 Antworten. Zwischen Handeln und Gelassenheit: Die drei Umweltvorlagen aus evangelisch-reformierter Sicht» zu den Abstimmungen zum CO2-Gesetz geäussert und die Synode, Legislativversammlung respektive Parlament der EKS, hat zudem im Juni 2021 die Errichtung eines Handlungsfelds «Bewahrung der Schöpfung» genehmigt, in dem die Herausforderungen des Klimawandels gemeinsam mit den reformierten Kantonalkirchen angegangen werden sollen. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass die Anliegen des Klimaschutzes in der Mitte der reformierten Kirche angekommen sind.

Zum Beispiel: Oeku

In der Schweiz setzt sich zudem der kirchliche Verein Oeku seit über 30 Jahren für Klima- und Umweltschutz in den Kirchen ein. Der Verein ist ökumenisch getragen und zählt aktuell über 600 Kirchgemeinden und Einzelpersonen als Mitglieder. Die Oeku vernetzt sich mit anderen auch nicht-kirchlichen Organisationen und ist Mitglied der Klima-Allianz. Die Oeku bringt eine spezifisch christliche-theologische Sicht in die gesellschaftliche und politische Debatte ein. Sie gibt jährlich Unterlagen zur SchöpfungsZeit heraus, eine Zeit, die in den Kirchen zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober dem Gebet für den Schutz der Schöpfung und der Förderung eines nachhaltigen Lebensstils gewidmet wird. Die Fachstelle der Oeku berät und begleitet zudem Kantonalkirchen und Kirchgemeinden auf dem Weg zu umweltbewusstem Handeln und zeigt praktische Handlungsmöglichkeiten auf. So hat sie das Handbuch: «Es werde Grün!» publiziert und zertifiziert Kirchgemeinden mit dem Grünen Güggel: ein Umweltmanagementsystem, welches die Umweltauswirkungen der Kirchen kontinuierlich verbessert.

Grüner Güggel: Umweltschutz praktisch

Zu den zehn Schritten bis zur Zertifizierung gehören neben einer Bestandsaufnahme die Entwicklung von Schöpfungsleitlinien und eines Umweltprogramms. Dieses Programm setzt die Kirchgemeinde aus eigener Kraft um; die Rezertifizierung erfolgt nach vier Jahren. Entscheidend ist dabei die Langfristigkeit: Der Grüne Güggel ist auf eine kontinuierliche Verbesserung ausgelegt und soll zu einem Teil der «Unternehmenskultur» der Gemeinde werden.


Damian Kessi ist 32 Jahre alt und hat einen Masterabschluss in Interreligiösen Studien und Allgemeiner Ökologie der Universität Bern. Er arbeitet seit 2017 für die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS und ist seit 2019 unter anderem für das Dossier «Bewahrung der Schöpfung» zuständig. Er ist Mitglied im Vorstand der oeku. Er ist verheiratet und hat ein Kind.

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