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Andrea Zimmermann

«Was macht die da wieder für komische Sachen mit den Mönchen?»

Binationale Paare haben in ihrem Zusammenleben oft viele finanzielle, rechtliche und kulturelle Hindernisse zu überwinden, die im Beziehungsalltag zu Konflikten führen können. Wie steht es dabei um religiöse Unterschiede? Das Beispiel thailändisch-schweizerischer Paare zeigt unter anderem, dass die Verehrung von Mönchen Grenzen haben kann, wenn es ums Portemonnaie geht.

Dass Frauen ihre Herkunftsländer verlassen und in ein westliches Land migrieren – mit der Absicht dort zu heiraten oder mit einem Mann zu leben, den sie bereits vor ihrer Zuwanderung geheiratet haben – lässt sich seit den 1970er Jahren zunehmend beobachten. Im Zeitraum zwischen 1987 bis 2019 wurden rund 15’000 Ehen zwischen Schweizer:innen und Thais geschlossen, wobei es sich in 98 Prozent der Fälle um Schweizer Männer handelt, die eine Thailänderin geheiratet haben. Der umgekehrte Fall, also die Heirat einer Schweizerin mit einem thailändischen Mann, kommt insofern nur selten vor.

Um gemeinsam leben zu können, sind thailändisch-schweizerische Paare also quasi dazu genötigt, sich das Ja-Wort zu geben.

Vier Fünftel der derzeit rund 16’000 in der Schweiz lebenden Thais sind Frauen. Unabhängig davon, wo und unter welchen Umständen sich die Ehepartner kennengelernt haben, steht die Immigration dieser Frauen meist in unmittelbarer Verbindung mit ihrer Heirat. Dass dieser Zusammenhang gegeben ist, ist eines der entscheidenden Kriterien, dieses Phänomen als Heiratsmigration zu bezeichnen. Für Paare in grenzübergreifenden Beziehungen ist es nicht einfach, einen Weg zu finden, ihren Alltag miteinander teilen zu können. Insbesondere Personen aus Drittstaaten, also nicht-europäischen Herkunftsländern, haben aufgrund der restriktiven Migrationspolitik in der Schweiz kaum Chancen, einen legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen. Um gemeinsam leben zu können, sind thailändisch-schweizerische Paare also quasi dazu genötigt, sich das Ja-Wort zu geben – auch ohne sich ausreichend zu kennen und das Zusammenleben erprobt zu haben. Dabei stellt sich die Frage, ob sich diese Paare auch dann für eine Eheschliessung entschieden hätten, wenn ihnen alternative Möglichkeiten des Zusammenlebens zugänglich gewesen wären.

Erhöhte Stressbelastung bei binationalen Paaren

Thailändisch-schweizerische Paare werden in ihrem Alltag mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, die nicht zuletzt durch die Migrationssituation der Frauen bedingt sind und zu Konflikten innerhalb der Partnerschaft führen können. Diese Feststellung deckt sich mit Studien aus der Paarforschung, die aufzeigen, dass binationale Paare im Allgemeinen erhöhtem Stress ausgesetzt sind. In ihrem Zusammenleben haben sie im Vergleich zu nicht gemischt-nationalen Paaren oft viele finanzielle, rechtliche und kulturelle Hindernisse zu überwinden; einer der Partner muss mehr oder weniger auf seine Familienangehörigen verzichten, sich an eine neue kulturelle Umgebung gewöhnen und eine neue Sprache erlernen. Diese durch die Migration verursachten Stressoren reihen sich zu den anderen in Partnerschaften üblichen Stressfaktoren wie etwa Mehrfachbelastung, Finanzen oder Kinder.

Konfliktpotenzial religiöser Unterschiede  

In meiner Dissertation befasse ich mich mit der Frage, welche Rolle und Bedeutung Religion im Alltag thailändischer Migrantinnen einnimmt und inwiefern sie ihnen angesichts ihrer speziellen Lebenssituation in der Schweiz als Ressource dient, mit alltäglichen Herausforderungen und grösseren Lebenskrisen umzugehen. In den hierzu erhobenen Interviews mit Thailänderinnen und deren Ehepartnern lassen sich eine Vielzahl von Problem- und Konfliktfelder eruieren, die für die befragten Paare im Beziehungsalltag zu bewältigen sind. Anbei möchte ich mich jedoch auf die religiösen Unterschiede fokussieren.

Zunächst ist anzumerken, dass sich, so bestätigen dies auch andere Studien, das hinter unterschiedlichen religiösen Glaubensvorstellungen und -praktiken stehende Konfliktpotenzial in Paarbeziehungen im Allgemeinen wesentlich geringer gestaltet, als auf den ersten Blick anzunehmen ist. In meiner Untersuchung zeigte sich, dass das meist sehr ausgeprägte Interesse der Ehemänner am kulturellen Hintergrund ihrer Frauen in der Regel auch den Buddhismus einschliesst, den sie als wesentliches Element der Thai-Kultur betrachten. Besonders gerne heben sie durch die buddhistische Lehre geprägte Werte wie etwa Respekt, Höflichkeit, Dankbarkeit und Gehorsamkeit hervor, die sie im Alltag mit ihren Frauen erfahren können und über den religiösen Kontext hinaus als geschätzte Wesenszüge von Thais beschreiben.

Für die meisten Männer stellt der Buddhismus eher eine Philosophie als eine Religion dar, die sich problemlos in bestehende Glaubensvorstellungen integrieren lässt und auch von Männern mit einer eher ablehnenden Haltung gegenüber Religion mehrheitlich positiv bewertet wird. Dass ihre Ehefrauen nicht auf die Pflege ihrer kulturell-religiösen Tradition verzichten müssen, ist vielen Männern wichtig; nicht zuletzt auch, um ihnen nach ihrer Ankunft in der Schweiz Gelegenheit zu bieten, Kontakte zu anderen Thais zu knüpfen.

Dabei spielt der Thai-Tempel in Gretzenbach (SO), der in der Schweiz wichtigste Schauplatz buddhistischer Andacht und gelebter Thai-Kultur, für viele Migrantinnen eine besondere Rolle. Hier angebotene Freizeitaktivitäten und Bildungsangebote (wie etwa Kurse im Gemüseschnitzen, traditionellem Tanz oder Kochen und Sprach-, Meditations- und Dhamma-Kurse) werden von vielen Thailänderinnen gerne genutzt. Neben der Ausübung religiöser Praktiken, dient ihnen der Tempel damit auch als sozialer Treffpunkt, der es ihnen erlaubt, private Kontakte und heimatliche Bezüge in authentischer Umgebung zu pflegen. Die Motivationen für Tempelbesuche und die Bedeutung, die der buddhistischen Religiosität dabei zukommt, können individuell sehr unterschiedlich sein.

An der thaibuddhistischen Feier Asalha Puja in Gretzenbach: Den jungen Novizen werden verschiedene Spenden überreicht.
© Jens Oldenburg

Religion als Zugehörigkeit

In den befragten Familien mit Kindern lässt sich feststellen, dass die unterschiedlichen kulturell-religiösen Traditionen beider Partner verstärkt ins Bewusstsein rücken. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es um die Frage geht, ob und inwiefern Religion eine Rolle bei der Kindererziehung spielen soll, wie sich etwa am Beispiel von Ying und Beat zeigt.

Das befragte Paar hat sich darauf geeinigt, dem gemeinsamen Sohn sowohl christliche als auch buddhistische Glaubensinhalte zu vermitteln: «Er kann aus jedem Glauben das Gute herausnehmen und nachher selber entscheiden, bin ich jetzt römisch-katholisch, oder will ich irgendeinmal Buddhist sein oder was auch immer. Ich finde, das überlassen wir ihm», erzählt Beat. Darüber, wie sie dies praktisch handhaben wollen, und, ob ihr Sohn getauft werden soll oder nicht, hatten sie sich zunächst keine Gedanken gemacht, bis die Auseinandersetzung mit diesem Thema von aussen angeregt wurde, wie sich Beat erinnert:

Als [unser Sohn] noch nicht mal zwei Monate alt war, da stand plötzlich [der Pfarrer der Gemeinde] vor der Tür und hat fast darauf gedrängt, [dass wir ihn taufen lassen]. Wir würden ja in der Schweiz leben und deshalb wäre es schön, wenn [unser Sohn] römisch-katholisch würde. Das habe ich ein bisschen heftig gefunden.

Obwohl sich Beat durch den Pfarrer überrumpelt fühlte, trug der Gedanke, dass Religion auch mit kultureller resp. gesellschaftlicher Zugehörigkeit verbunden ist, zu seinem Entscheid für eine Taufe bei: 

Ich will, dass er in der Schule kein Aussenseiter ist, ich will, dass er in den Religionsunterricht kann, ich will, dass er die Kommunion bekommt. Solche Sachen sind für mich schon wichtig. Aber ich habe ihm [dem Pfarrer] schon damals gesagt, dass [mein Sohn] einmal selber entscheiden kann, in welche Richtung sein Glaube geht. Er bekommt halt wirklich von beiden Ländern, von beiden Religionen viel mit. Und ich habe ihm gesagt, dass wir mehr im Tempel als in der Kirche sind. Es tut mir leid, aber es ist einfach so. 

Während der katholische Religionsunterricht in der Schule stattfindet, nimmt der Tempel für die religiöse Bildung wie auch die Vermittlung der Thai-Kultur an die Kinder thailändisch-schweizerischer Paare eine zentrale Funktion ein. Ying fährt mit ihrem Sohn regelmässig nach Gretzenbach, wo er die buddhistische Sonntagsschule besucht, in welcher er neben den Grundlagen des Buddhismus auch die thailändische Sprache, insbesondere Lese- und Schreibkompetenzen, erlernt. Eine Gelegenheit, die Ying stets nutzt, um andere Mütter zu treffen.

Geldspenden als heikles Thema

Dass seitens der Ehemänner grundsätzlich keine Offenheit für buddhistische Glaubensinhalte und somit auch kein Verständnis für die Religionspraxis ihrer Frauen vorhanden ist, zeigt sich bei keinem der untersuchten Fälle. Einzig mehrfach negativ erwähnt wurde der Umgang mit den Mönchen und die damit verbundenen Geldspenden, die auch von einigen Frauen sehr kritisch betrachtet werden.

Dabei stören sich einige Männer insbesondere am sozialen Druck, dem sie sich im Tempel ausgesetzt fühlen.

Da sich Mönche ausschliesslich der religiösen Praxis zuwenden sollen, sind ihnen weltliche Dinge, wie etwa Privatbesitz oder die Verrichtung von Hausarbeit untersagt. Somit sind sie materiell von den Gaben (Pāli dāna) von Laien abhängig, die im Gegenzug für ihre Spenden geistige Führung durch die Mönche erhalten und religiöse Verdienste erwerben. Die Verrichtung von Handlungen zum Verdiensterwerb ist für das Leben der Laien prägend und widerspiegelt auch die Hingabe, mit welcher Mönche verehrt und unterstützt werden. Dabei stören sich einige Männer insbesondere am sozialen Druck, dem sie sich im Tempel ausgesetzt fühlen. Heinrich, einer der befragten Ehemänner, meint dazu:

In Gretzenbach, die nötigen die Männer richtig, zu geben. Wir bekommen regelmässig Briefe, als wir dort waren, haben wir ja die Adresse hinterlassen. Wir bekommen jeden Monat einen Brief, in dem es wieder einen Aufruf hat. Ich schmeisse es immer gleich ins Altpapier. Da steht drauf, wer wie viel gespendet hat. Weisst du, diese Spendenliste, der Name und wer wieviel gegeben hat. Oder, die schreiben das! Darum willst du ja möglichst auch weit vorne sein. Ja, nein, der hat 500 gegeben, dann gib du 600, oder. Das läuft so. Und die Mönche nutzen das gnadenlos aus, das ist eine grosse Mafia dort.

Auch Markus, ein weiterer Ehemann einer Thailänderin, sieht das Spenden von Geld kritisch. Während er selbst jedoch Verständnis dafür aufbringen könne, dass dies ein Teil der religiösen Tradition Thailands darstellt, kenne er viele Männer, die damit überhaupt nichts anzufangen wissen:

Viele Thais haben nicht sehr viel Geld. Oder sind auch in Familien, die nicht gut situiert sind. Und, oder überhaupt kein Verständnis vom Ehemann, was macht die da wieder für komische Sachen mit den Mönchen. Weil die halt nur das sehen, jetzt geht die wieder und spendet da wieder unser ganzes Geld für diese blöden Mönche, […], was muss jetzt die wieder dem blöden Mönch da bringen. So sprechen die Leute tatsächlich. Und das kenn ich zu Genüge, diese Art.

Insofern können finanzielle Aspekte ein Hindernis für die religiösen Aktivitäten von Frauen und Tempelbesuche darstellen – sei dies weil ihre Ehemänner sie nicht dabei unterstützen wollen oder sie angesichts ihrer knappen finanziellen Mittel andere Prioritäten setzen. Letzteres ist etwa bei Nüng, eine der befragten Thailänderinnen, der Fall. Sie sagt: «Nein du, ich arbeite. Ich arbeite auf Stundenlohn und dann komme ich sicher nicht einfach spenden» (5A/822–823). Wie sich in der Untersuchung jedoch weiter zeigt, deuten ein Verzicht auf Tempelbesuche wie auch die Ablehnung von Geldspenden nicht zwangsläufig darauf hin, dass die Frauen dem Buddhismus grundsätzlich keine Bedeutung beimessen. Sie wählen andere Wege, um ihrer Religiosität Ausdruck zu verleihen.

Ein Kontrastprogramm zum Alltag in der Fremde

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass religiöse Unterschiede innerhalb der von mir untersuchten Paarbeziehungen nicht oder nur selten zu Konflikten führen. Dies ist nicht zuletzt auf den Umstand zurückzuführen, dass die befragten Ehemänner den Buddhismus mehrheitlich positiv wahrnehmen und ihn als Teil der Thai-Kultur betrachten, für die sie im Allgemeinen eine besondere Affinität haben. Gerade, da sich ihre Ehefrauen in der Schweiz oft sozial isoliert und einsam fühlen, unterstützen sie sie dabei, Tempel zu besuchen, auch wenn sich diese oft in grosser räumlicher Distanz zu ihren Wohnorten befinden. Viele der Ehemänner begleiten ihre Frauen zu Tempelbesuchen, auch wenn diese sprachlich nicht auf sie ausgerichtet sind und sie in diesem Sinne nur als Zuschauer vor Ort sind. Für sie sind solche Tempelbesuche jeweils willkommene Gelegenheiten, sich mit anderen Männern auszutauschen, Freundschaften zu pflegen und sich auf den nächsten Urlaub oder gar eine später geplante Auswanderung nach Thailand zu freuen.

Auch für ihre Ehefrauen sind thai-buddhistische Tempel nicht nur für ihre Religionspraxis wichtig, sondern stellen über ihren religiösen Kontext hinaus bedeutsame soziale Treffpunkte dar, welche die Pflege heimatlicher Bezüge und Thai-ness im weiteren Sinne in einem transnationalen Raum ermöglichen. Tempelbesuche sind für viele Thailänderinnen als Kontrastprogramm zu einem Alltag zu verstehen, in welchem sie Mühe damit haben, sich unabhängig vom Ehepartner orientieren zu können – sowohl sprachlich wie auch kulturell.


Die Dissertation mit dem Titel «Träume, Tränen und Tempel – Die Bedeutung thai-buddhistischer Religiosität im Alltag thailändischer Heiratsmigrantinnen in der Schweiz» entstand im Rahmen einer SNF-Förderung und wurde von Prof. Dr. Martin Baumann, Leiter des religionswissenschaftlichen Seminars der Universität Luzern, und Prof. Dr. Dr. Manfred Hutter vom Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn betreut. Die Publikation erscheint im Frühjahr 2023 im Transcript Verlag.

Interviewzitate: Bei den zitierten Passagen handelt es sich um Ausschnitte aus Paar- und Einzelinterviews, die mit insgesamt neun Thailänderinnen und ihren Ehepartnern geführt wurden. Die Paare wurden während der Forschungsarbeit vom April 2017 bis hin zu deren Abschluss im Mai 2021 begleitet und mehrfach befragt. 

Der Beitrag stützt sich auf folgende Literatur:
Bodenmann, G. (2000). Stress und Coping bei Paaren. Göttingen. 
Müller-Schneider, T. (2000). Zuwanderung in westliche Gesellschaften: Analyse und Steuerungsoptionen. Opladen. 

Autor

  • Andrea Zimmermann

    Religionswissenschaftlerin, Projektleiterin Medien und Kommunikation bei der Schweizer Paraplegiker-Stiftung ||| Dr. des. Andrea Zimmermann hat am Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Luzern im Rahmen einer Doc.CH-Förderung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) promoviert. Die Autorin arbeitet als Projektleiterin Medien und Kommunikation bei der Schweizer Paraplegiker-Stiftung.

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