Pfarrer sein, in der heutigen Zeit – da begegnet einem schon die eine oder andere Kuriosität. Haiko Behrens, im Amt mit Leib und Seele, lässt uns hinter die Kulissen blicken.

Die mich umsorgende Ärzteschaft ist sich einig: Das Gewicht muss weg! Und ich brauche mehr Bewegung! Und so jogge ich nun regelmässig-unregelmässig meine Runden durch das wunderschöne Dornach, auf dass die Kanzel der Evangelischen Kirche nunmehr ausschliesslich hölzerne Trägerin zungenfertiger Wortverkündigung und nicht überflüssiger Pfunde des Fleisches sein möge.

Und wie ich nun eines Tages wieder schwitzend vor mich hin trabe, ruft plötzlich jemand von der anderen Strassenseite: «Hey du!» und gestikuliert in meine Richtung.

Eine arme Seele, die nach einem ermutigenden Wort des Herr Pfarrers dürstet? Ein Fremder, dessen einladender Nachbar ich nach dem Willen Jesu sein soll? Ein Versicherungsagent (meine Haftpflicht läuft aus)?

Auf dass er erleuchtet werde…

Ich überquere im Joggingschritt die Strasse und bleibe keuchend und dampfend vor dem jungen Herrn mit Piercingring in der Nase und Nietengürtel an der Hüfte stehen. Er schaut mich prüfend an und fragt: «Bist du nicht der Pfarrer hier?» Ich überhöre die duzende Respektlosigkeit vor dem geistlichen Amte und nicke – noch immer ausser Atem. 

Auch er holt tief Luft und hebt an, seine Tirade loszuwerden: «Also, ich finde es echt voll scheisse, dass die Kirche es verbietet, dass ein Pfarrer heiraten darf.» Ich zeige auf meinen Ehering und kläre das verwundert dreinschauende ekklesiologiebefreite Geschöpf darüber auf, dass ich mich durchaus im Stande der Ehe befände. 

Verblüfft fragt er weiter: «Darfst du auch mit deiner Frau Intimitäten teilen?» (genau genommen drückt es sich deutlich expliziter aus). Ich verweise auf meine Vaterschaft. Das bringt ihn nun vollends aus der Fassung und er fragt, ob der Papst denn davon Kenntnis hätte. Ich unterstreiche meine evangelische Konfessionszugehörigkeit und erkläre, dass es darob den Papst einen feuchten Kehricht anginge, ob ich verheiratet oder mit meiner Frau intim sei (auch ich drücke mich nun deutlich expliziter aus).

Selig sind die Unwissenden….

Darauf der Gepiercte: «Boah, das musst du mal dem katholischen Pfarrer erzählen. Der fällt vom Glauben ab, ey!» Sanft weise ich meinen unwissenden Beinahe-Mitbruder darauf hin, dass ich mit dem katholischen Kollegen sehr gut bekannt sei, er von meinem Ehestand wisse und sogar meine Frau kenne. Der Unwissende reisst vor Staunen Mund und Nase auf. «Das weiss der? Das muss den doch voll fertig machen! Alter, ey das ist ja nicht zu fassen!» Entgeistert schüttelt er so heftig den Kopf, dass das Piercingringlein klingelt. Nun ist es an mir einmal zu fragen:  «Bist du denn Mitglied der katholischen Kirche?»

Das Piercingringlein schaut samt Nase Richtung Nietengürtel als der Jüngling antwortet, dass er das nicht so genau wisse. Aber er wolle bald heiraten und müsste es daher mal rausbekommen. «Kannst du das für mich rauskriegen?» fragt er. Ich frage zurück, ob er in Dornach gemeldet sei, was er verneint. Doch dann hebt der Bräutigam in spe seinen Zeigefinger, wedelt damit vor meinem Gesicht herum und sagt bestimmt: «Aber katholisch bin ich bestimmt nicht.» Ich sage nichts mehr und jogge weiter. Von Ferne höre ich ihn noch brüllen: «… das schwöre ich bei Gott!»

Ich repetiere im Geiste das Heilige Evangelium nach Matthäus Kapitel 5 Vers 3. und summe im Rhythmus meiner schnellen Schritte: «Eine feste Burg ist unser Gott.»

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