Redaktion religion.ch

Wofür stehen wir ein?

Zusammenfassung – Wir leben in einer pluralen Gesellschaft, weshalb der Dialog zwischen Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen für ein friedliches Zusammenleben immer wichtiger wird. Mit der Veränderung der Religionslandschaft in der Schweiz verändert sich jedoch, welche Art von Dialog benötigt wird. Für ein friedliches Zusammenleben und einen guten Zusammenhalt in der Gesellschaft sind Begegnungen, Austausch und eine offene Diskussionskultur erforderlich. Hierfür ist es wichtig, den Menschen in seinem Gewordensein zu verstehen, sich darin zu üben, Diskussionen reflektiert und sensibel zu führen und sich zu öffnen, die eigene (religiöse) Weltanschauung zu diskutieren. Auf «religion.ch» nehmen wir unterschiedliche Perspektiven von Menschen ernst, erachten sie als wertvoll und bringen sie in einen reflektierten, transparenten und respektvollen Austausch.

«religion.ch» hebt sich in seiner Zielsetzung und Herangehensweise von bestehenden, verwandten Projekten ab, die Informationen zu Religionen und Weltanschauungen über Webseiten zugänglich machen. Die Zielsetzung der Plattform speist sich aus dem interreligiösen Dialog. Daraus ergibt sich auch die spezifische Herangehensweise. 

Es braucht den Dialog – heute mehr denn je

Der interreligiöse Dialog hat zum Ziel, den Austausch, die Zusammenarbeit und das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergründen zu fördern. Mit der Veränderung der Religionslandschaft in der Schweiz verändert sich auch der Bedarf an «interreligiösem Dialog». 

Einerseits bringt die Zuwanderung eine Pluralisierung in der Religionslandschaft der Schweiz mit sich. Andererseits lösen sich viele Menschen von religiösen Institutionen, gehen ihre eigenen religiösen oder spirituellen Wege oder empfinden sich als nicht-religiös. Diese Prozesse werden grob zusammengefasst als Säkularisierung und Individualisierung bezeichnet. 

Dies bedeutet nicht, dass es den interreligiösen Dialog nicht mehr braucht, sondern dass er weiterentwickelt werden muss. Denn das grundsätzliche Anliegen bleibt bestehen: der Bedarf an Verständigung, Austausch und langfristig an sozialem Zusammenhalt in der Schweiz. Die Situation wird durch verschiedene Faktoren eher noch komplexer. Denn die aktuellen gesellschaftlichen Prozesse führen zu einer Vervielfältigung der Weltanschauungen und die Berührungspunkte zwischen den verschiedenen Menschen können je nachdem wenig bis gar nicht vorhanden sein.

Ein Puzzlestück im Paket der Massnahmen 

Wir sind überzeugt, dass für ein friedliches Zusammenleben und einen guten Zusammenhalt in der Gesellschaft Begegnungen, Austausch und eine offene Diskussionskultur mit verschiedenen Massnahmen gefördert werden müssen. «religion.ch» ist hier ein Puzzlestück im Paket der Massnahmen. Denn «religion.ch» bietet niederschwelligen Austausch und steht für eine offene Diskussionskultur ein. Dabei gibt es einiges, was uns diesbezüglich wichtig erscheint: das Menschenbild, eine reflektierte Diskussionskultur und die Bereitschaft auch den eigenen (religiösen) Weltzugang zu diskutieren.

Unser Menschenbild

«religion.ch» ist ein Projekt von IRAS COTIS, der Interreligiösen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz. Unser Verein ist aus einer Grassroots-Bewegung entstanden und im Zentrum stehen nicht Würdenträger:innen oder religiöse Spezialist:innen, sondern Menschen, die sich für gemeinsame Anliegen einsetzen. Meist sind es Personen an der Basis der Organisationen, die sich bei uns einbringen. Auch zu jenen, die Institutionen, Organisationen und anderen gefestigten Strukturen fern sind, suchen wir mit «religion.ch» den Kontakt.

Dass Individuen bei uns im Fokus stehen, hängt damit zusammen, dasss jeder und jede einzelne mit unterschiedlichen Bedingungen und Lebenssituationen konfrontiert ist und so eine ganz persönliche Perspektive mitbringt. Diese Perspektiven können bereichern, lösen manchmal aber auch Befremden und Irritation aus. Wichtig scheint uns hier, den Menschen und sein Gewordensein im Blick zu behalten – beim Gegenüber wie auch bei sich selbst. 

Eine reflektierte Diskussionskultur 

Es braucht etwas Übung, einen guten Willen und eine Portion Neugierde, um sich nach Irritationen nicht abzuwenden, sondern sich zu überlegen: Woher kommt die Irritation? Weshalb befremdet mich das Gegenüber? Wo sind meine eigenen Wertehaltungen unumstösslich und wo sind es eher Konventionen, bei denen ich auch anderes zulassen und verhandeln kann? 

Um überhaupt so weit zu kommen, braucht es die Grundhaltung, das Gegenüber als gewordenen Menschen mit einer eigenen, interessanten Perspektive anzunehmen. Alle Beiträge auf «religion.ch» sind vor diesem Hintergrund zu betrachten.

Auch der eigene (religiöse) Weltzugang kann diskutiert werden

Bei allen Gemeinsamkeiten, die sich in einer Begegnung finden lassen, gibt es auch immer Unterschiede und Uneinigkeiten. Wir wissen, dass viele Religion als Privatsache verstehen, die nicht diskutiert werden kann. Wir bezweifeln aber, dass diese Haltung für ein friedliches Zusammenleben förderlich ist, denn so kann auch eine konstruktive Auseinandersetzung nicht stattfinden. Wir enden in einem unübersichtlichen Durcheinander aus individuellen, privaten Wahrheiten. 

Deshalb wünschen wir uns eine reflektierte, offene, respektvolle Diskussionskultur, die uns ermöglicht, nicht nur die eigenen politischen Grundsätze, sondern auch unsere religiösen und weltanschaulichen Haltungen zu diskutieren und in einen Austausch zu gelangen. So finden wir vielleicht Lösungen für unser Zusammenleben, die über das Finden von Kompromissen hinausgehen. Uns ist klar: Eine solche Diskussionskultur will erlernt werden. Mit «religion.ch» möchten wir für eine solche Diskussionskultur einstehen, die verschiedenen Perspektiven Raum gibt und eine Diskussion zulässt. 

Dementsprechend machen auch wir unsere Überlegungen, die hinter religion.ch stehen, transparent. Nur so können sie diskutiert und weiterentwickelt werden.

Autor