Finanzierung  ·  Interreligiöser Dialog
Katja Joho und Rifa'at Lenzin

Interreligiöse Arbeit – Wer macht sie? Was kostet sie? Wer finanziert sie?

Bei der interreligiösen Zusammenarbeit ist eine grosse Vielfalt von zum Teil organisch entstandenen Gruppierungen aktiv. Vereine, Stiftungen, Arbeitsgruppen, Runde Tische: Sie wirken national und regional, mit dem Fokus auf einzelnen Religionen oder mit einem bestimmten inhaltlichen Schwerpunkt. Doch wer steht hinter diesen Gruppierungen und wie finanzieren sie sich? Hier der Versuch einer Bestandesaufnahme.

Einen Überblick über die vielen Initiativen zu erhalten, die sich für ein friedliches Zusammenleben in der multireligiösen Schweiz engagieren, ist nicht ganz einfach. Der interreligiöse Dialog kann verschieden gruppiert und dargestellt werden. Da ist zum Beispiel der institutionelle Dialog mit Organisationen, Kommissionen und Beauftragten für interreligiöse Beziehungen, wie beispielsweise der Schweizerische Rat der Religionen, die Runden Tische der Religionen Basel und Zürich oder andere. Ebenso gibt es aber auch einen Dialog des Lebens im Alltag der Menschen, bei dem es in der Nachbarschaft oder im Quartier zu Kontakten und Begegnungen kommt, oder den spirituellen Dialog im Rahmen gemeinsamer interreligiöser Feiern und Gebete. Der ethische Dialog schliesslich äussert sich im gemeinsamen Handeln respektive der Suche nach religiösen Ressourcen für ein gemeinsames Handeln auf eine Kultur des Friedens und der Gerechtigkeit hin. Und last but not least gibt es natürlich auch noch den interreligiösen theologischen Diskurs. Für unseren Zweck unterscheiden wir zwischen dem institutionellen Dialog und dem Dialog an der Basis.

Der institutionelle interreligiöse Dialog

Den interreligiösen Dialog auf institutioneller Ebene führen oft Vertretergremien. Einsitz in diese haben Leitungspersonen von Religionsgemeinschaften, und sie sind meistens auch die Ansprechgremien für die Politik. Die Finanzierung stellt für die Vertretergremien im kleineren Mass eine Herausforderung dar, da sie keine zeitintensive interreligiöse Basisarbeit leisten und ihre Mandate in solchen Gremien im Rahmen ihrer Gesamtaufgaben wahrnehmen und deshalb keine Kosten entstehen, die gesondert finanziert werden müssen.

Dialogarbeit an der Basis

Die Basisorganisationen (Grass root) sind vielfältig aufgestellt. Die hier engagierten Personen haben oft keine Leitungsfunktionen in ihren Gemeinschaften inne, sie können aber mandatiert sein oder sich einfach als Privatpersonen engagieren. Sie machen die eigentliche interreligiöse Basisarbeit, was zeitaufwändig ist. 

Die Erfahrung zeigt aber, dass die Bereitschaft, sich im interreligiösen Dialog zu engagieren eher sinkt, da diesem zeitintensiven Engagement wenig unmittelbarer Mehrwert gegenübersteht.

Ein Teil von ihnen beteiligt sich im Rahmen der (kirchlich, staatlich, zivilgesellschaftlich) bezahlten Arbeitszeit, andere in ihrer Freizeit. Dies gilt vor allem für die Angehörigen der Minderheitsgemeinschaften, die praktisch ausschliesslich Freiwilligenarbeit leisten. War dieses Ungleichgewicht in den Anfängen des interreligiösen Dialogs noch weitgehend unproblematisch, wird es heute mehr und mehr zu einem Problem, weil der Druck und die Anforderungen an die Minderheitsgemeinschaften zur Teilnahme am interreligiösen Dialog steigen und damit die Belastung derjenigen, die sich dafür zur Verfügung stellen. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Bereitschaft, sich im interreligiösen Dialog zu engagieren eher sinkt, da diesem zeitintensiven Engagement wenig unmittelbarer Mehrwert gegenübersteht.

Bei der «Woche der Religionen» zeigt sich beispielhaft: Die interreligiöse Arbeit wird von vielfältigen Gemeinschaften und mit viel unbezahlter Arbeit geleistet. In der ganzen Schweiz gibt es ein Programm von 100 Veranstaltungen, was rund 800-1’000 engagierten Personen entspricht. Darunter sind bezahlte Angestellte der Kirchen und unbezahlte Freiwillige aus allen Religionsgemeinschaften. Das ergibt eine ungleiche Situation in den Teams, wenn ein Teil der Teammitglieder für den Einsatz vergütet wird und der andere Gratisarbeit leistet.

Vielfältige Organisationsformen

Ein Teil der interreligiösen Basisorganisationen wird von den Kirchen getragen, indem kirchliche Beauftragte die Koordination eines interreligiösen Gefässes übernehmen. Das ist beispielsweise so beim Runden Tisch der Religionen Biel, dessen Koordination das Forum für Zeitfragen der reformierten Kirche Biel innehat, oder in Luzern wo die Arbeit von den Landeskirchen gemeinsam mit dem Fachbereich Migration und Integration der Katholischen Kirche Stadt Luzern koordiniert wird. Andernorts stehen die Basisorganisationen unter der Leitung der Kantone, so in Solothurn oder Basel, wo es eigene Koordinationsstellen für Religionsfragen gibt. 

Weitaus die meisten Akteur:innen in der interreligiösen Szene sind als Vereine organisiert. Das gilt für IRAS COTIS, die einzige Basisorganisation auf nationaler Ebene, sowie regionale respektive kantonale Vereine wie das Haus der Religionen in Bern und das Zürcher Forum der Religionen. Daneben gibt es einzelne Stiftungen, wie zum Beispiel das Zürcher Institut für interreligiösen Dialog ZIID oder die Christlich-Jüdischen Projekte in Basel. Häufig sind auch Gruppen ohne juristische Form interreligiös aktiv, so beispielsweise die Interreligiöse Gruppe Freiburg.

Finanzierung der Friedensarbeit

Interreligiöse Friedensarbeit hat ihren Preis. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Engagierten ihre Zeit und Energie immer gratis zur Verfügung stellen. Auch steigen die Ansprüche im Hinblick auf Professionalität: Das Management eines Vereins wird immer komplexer und wer ein Projekt leiten will, muss über Wissen und Erfahrung verfügen.

Nicht zu unterschätzen ist das Grundproblem der Finanzierung von Geschäftsstellen. Die meisten Finanzierungsgefässe wie Stiftungen, aber auch die Öffentliche Hand sind auf die befristete finanzielle Unterstützung von Projekten ausgerichtet und stehen deshalb häufig für die ebenso notwendige Finanzierung der Geschäftsstellen von Basisorganisationen nicht zur Verfügung. Diese Strukturfinanzierung erweist sich je länger umso mehr als zentrale Herausforderung für Organisationen wie IRAS COTIS. 

Ich würde die 1000 Franken in die Bildung investieren. Wir bauen Brücken mit dem Ziel, die Vermittlung tibetischen Wissens lebensnah und  verständlich an die jüngeren Generationen zu gestalten. Hier finden Rituale, Gebete und Seelsorge statt und gleichzeitig engagieren wir uns dafür, ein möglichst lebendiger Ort des Lehrens und Lernens zu sein, wo die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus als Wissenschaft des Bewusstseins mit allen Interessierten stattfinden kann.
Dr. phil. Karma Lobsang (Mediatorin SDM/FMS, Trainerin für Mindfulness-based Stress Reduction MBSR und Präsidentin vom Stiftungsrat Tibet-Institut Rikon) in der Bibliothek im Kloster Rikon. www.tibet-institut.ch

© Stefan Maurer, das Bild ist Teil einer Fotoserie für religion.ch.

Projekte finden Geldgeber:innen

Die gute Nachricht: Neue Projekte haben gute Chancen, eine Finanzierung zu finden. Hauptgeldgeber sind je nach Thema die öffentliche Hand, Stiftungen und Landeskirchen. So bietet beispielsweise der Förderbereich Zusammenleben in den Kantonalen Integrationsprogrammen einiges an Potenzial, das teilweise auch genutzt wird. 

Zur Anschauung hier die Situation der Projekte von IRAS COTIS im Jahr 2021: 

… Bei der Finanzierung von «Dialogue en route» beteiligten sich Bund und Kantone mit 35 Prozent, Stiftungen ebenfalls mit 35 Prozent, 30 Prozent des Aufwandes sind Eigenleistungen von IRAS COTIS und Partnerorganisationen. Kirchen und religiöse Gemeinschaften sind nicht an der Projektfinanzierung beteiligt. 

… «religion.ch» erhielt 2021 15 Prozent seiner Mittel von Stiftungen, 20 Prozent von Kantonen sowie 11 Prozent von Landeskirchen. 54 Prozent waren Eigenleistungen von IRAS COTIS und Partner:innen.

… Die «Woche der Religionen» durfte 54 Prozent kantonale Beiträge entgegennehmen, der Rest waren Eigenleistungen.

Die Kirchen engagieren sich zwar an der Sockelfinanzierung von IRAS COTIS, jedoch nur selten an den Projekten von IRAS COTIS. Dies wird von anderen Geldgebern wie grösseren Stiftungen und kantonalen Stellen kritisiert und hat bisweilen einen negativen Einfluss auf die Bereitschaft zur Unterstützung. 

Geschäftsstellen schwierig zu finanzieren

Die schlechte Nachricht: Für die Betriebskosten von Organisationen wie IRAS COTIS ist es sehr viel schwieriger, Mittel zu erhalten. Dabei sind gerade sie das Fundament für die Projekte und müssen diese kompetent und umsichtig überwachen. Fehlen hier die Ressourcen, wird es spätestens mittelfristig für die Projekte kritisch. 

Basisorganisationen finanzieren sich über meist minimale Mitgliederbeiträge, über oft ungenügende Strukturfinanzierungen und über viel Aufwand verursachende Projektbeiträge.

Basisorganisationen finanzieren sich über meist minimale Mitgliederbeiträge, über oft ungenügende Strukturfinanzierungen und über viel Aufwand verursachende Projektbeiträge. Sie sind auf Zuschüsse von staatlicher Seite und Unterstützungsbeiträge der Landeskirchen angewiesen, was es aber gerade für national tätige Organisationen wie IRAS COTIS erschwert, Zugang zu solchen Geldern zu erhalten, da kantonale Organisationen den Vorzug bei der Mittelvergabe erhalten. Wegen schwindender Mittel bei den Kirchen ist es zudem zunehmend schwierig, diese Beiträge zu erhalten, und auch ein moderates Wachstum gestaltet sich nicht einfach.

Ein Fördergefäss auf Bundesebene fehlt

Im Jahr 2021 erhielt der Verein 24% seiner Mittel aus Mitglieder- und Trägerbeiträgen, 54% aus Sockelbeiträge der Kirchen und 22% aus Spenden, das bei einem Gesamtvolumen von 110’000 CHF. Der Bund beteiligt sich nicht an der Finanzierung des nationalen Dachverbandes. Obschon der Bund gemäss Bundesverfassung für die Wahrung des religiösen Friedens zuständig ist und die Wichtigkeit der interreligiösen Zusammenarbeit für den religiösen Frieden in der Schweiz und den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt immer wieder betont, gibt es auf Bundesebene kein Fördergefäss dafür. Das Dossier liegt bei den Kantonen. Für diese haben Integrationsprogramme oft Priorität und betreffend interreligiöse Zusammenarbeit wird auf die Landeskirchen verwiesen, die dafür von den Kantonen finanzielle Mittel in der Form von Juristischen Kirchensteuern und Staatsbeiträgen erhalten – unter anderem mit der Idee, diese treuhänderisch zu verwalten und einen Teil davon an nicht anerkannte Organisationen und an Akteure im interreligiösen Dialog weiterzugeben für ihre gesamtgesellschaftlichen Leistungen. Auf die Art und Weise, wie diese die Mittel verteilen, nehmen die Kantone jedoch keinen Einfluss.

Obwohl die Herausforderungen im Bereich des gemischtreligiösen Zusammenlebens in diesen 14 Jahren zugenommen haben, sind die Sockelbeiträge an IRAS COTIS seit 2008 konstant bei total 60’000 CHF – und das im Verhältnis zu beispielsweise rund 50 Mio. CHF Staatsbeiträgen allein des Kantons Zürich an die Landeskirchen.

Dazu hier die Zahlen von IRAS COTIS: Obwohl die Herausforderungen im Bereich des gemischtreligiösen Zusammenlebens in diesen 14 Jahren zugenommen haben, sind die Sockelbeiträge an IRAS COTIS seit 2008 konstant bei total 60’000 CHF – und das im Verhältnis zu beispielsweise rund 50 Mio. CHF Staatsbeiträgen allein des Kantons Zürich an die Landeskirchen. IRAS COTIS hat in diesen Jahren zwei grosse Projekte lanciert, «Dialogue en route» und «religion.ch», wodurch sich die interreligiöse und friedensstiftende Arbeit vervielfachte und der Projektaufwand entsprechend von rund 53’000 CHF auf 461’000 CHF anstieg. Die umfangreicheren Projekte führten in diesem Zeitraum zu einer Verdoppelung des Aufwands der Geschäftsstelle – bei gleichbleibender Sockelfinanzierung durch die Kirchen.

Was im Hinblick auf die Finanzen eines Vereins als Träger von Projekten nicht ausser Acht gelassen werden darf: Um von Stiftungen und der Öffentlichen Hand Gelder für Projektarbeit zu erhalten, müssen Organisationen in vielen Fällen mindestens 20 Prozent Eigenmittel in ihre Projekte investieren. Um das leisten zu können, muss die Sockelfinanzierung entsprechend ausgebaut werden – aktuell eine grosse Herausforderung für IRAS COTIS. 

Fazit

Akteure in der interreligiösen Zusammenarbeit erhalten die finanziellen Mittel für ihre Arbeit sowohl für Projekte als auch für die Organisationen hauptsächlich von der Öffentlichen Hand (Kantone und Kommunen), Stiftungen und von den anerkannten Religionsgemeinschaften, dazu gehören die Landeskirchen und einzelne jüdische Gemeinschaften. Für die Mittel, die die Landeskirchen für die interreligiöse Arbeit einsetzen, können sie auf Kirchensteuern von juristischen Personen und auf Staatsbeiträge zurückgreifen, die die Kantone für gesamtgesellschaftliche Leistungen an die Landeskirchen ausrichten. Dabei handelt es sich um reguläre Steuergelder. Da das Verhältnis zwischen Religion und Staat in jedem Kanton anders geregelt ist, ist auch die Finanzierung kantonal sehr unterschiedlich.

Die Bedeutung der interreligiösen Zusammenarbeit nimmt mit zunehmender Pluralisierung der Gesellschaft zu. Entsprechend wird es immer wichtiger, dass neben den über Steuergelder finanzierten gesamtgesellschaftlichen Leistungen der anerkannten Religionsgemeinschaften auch der interreligiöse Dialog finanziell gefördert wird. Diese Förderung sollte vermehrt der Finanzierung von interreligiös engagierten Basisorganisationen gelten – sowohl projektbezogen als vor allem zunehmend auch in der Form einer planbaren und zuverlässigen Strukturfinanzierung. 


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Autor

  • Katja Joho und Rifa'at Lenzin

    Freischaffende Islamwissenschaftlerin und Publizistin, Präsidentin von IRAS COTIS; Geschäftsführerin von IRAS COTIS ||| Rifa’at Lenzin studierte Islamwissenschaft, Religionswissenschaft und Philosophie in New Delhi, Zürich und Bern. Sie arbeitet als freischaffende Islamwissenschaftlerin und Publizistin mit den Schwerpunkten Interkulturalität und muslimische Identität in Europa, Islam und Gender sowie theologische Fragestellungen im interreligiösen Kontext. Sie ist Präsidentin von IRAS COTIS. Katja Joho ist Geschäftsführerin von IRAS COTIS, der Interreligiösen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz.

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