Buddhismus  ·  Christentum  ·  Gleichberechtigung  ·  Ordination
Ann-Katrin Gässlein

Zähes Ringen um religiöse Gleichstellung

Wer Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts eine objektiv schlechtere Behandlung oder Rechtsstellung zuspricht als Männern, muss heute mit scharfem Widerstand rechnen. Dies gilt auch, wenn diese (vornehmlich) religiös legitimiert wird. Neben den theologischen Auseinandersetzungen gibt es heute in verschiedenen religiösen Traditionen Bewegungen, die die gegenwärtigen Strukturen zugunsten von Frauen ändern wollen. 

Als in der Schweiz im Jahr 2021 das Jubiläum «50 Jahre Frauenstimmrecht» gefeiert wurde, standen auch religiöse Gemeinschaften auf dem Platz. Mit dem Sticker «Gleichberechtigung. Punkt. Amen.» machte der Schweizerische Katholische Frauenbund seine Unterstützung für das Jubiläum sichtbar. Und zeigte gleichzeitig an, Gleichstellung von Frauen auch innerkirchlich zu priorisieren.

Ausschluss von Weihen und Leitungsämtern

Die Römisch-katholische Kirche ist in der Schweiz die Religionsgemeinschaft mit den (noch) meisten Mitgliedern. Zwar arbeiten zahlreiche Theolog:innen in kirchlichen Diensten. Doch die Kirche insgesamt steht aufgrund des kirchenrechtlichen Ausschlusses von Frauen von Weihen und Leitungsämtern in der öffentlichen und innerkirchlichen Kritik. In der Theologie wird zu diesem Thema auf verschiedenen Ebenen geforscht. Daneben formieren sich Basisbewegungen, die über politischen Druck Veränderungen erzielen wollen.

Ein Beispiel ist die «Allianz Gleichwürdig Katholisch». Die 2021 gegründete reformkatholische Bewegung vertritt nicht allein das Anliegen von Frauen, sondern denkt «Gleichwürdigkeit (…) unabhängig von Geschlecht, Lebensform und Weihegrad». Die Allianz begründet diesen Geltungsanspruch einerseits für alle Menschen aufgrund ihrer Gottesebenbildlichkeit, andererseits für alle Getauften. Denn diesen kommt «Berufung zur Vollkommenheit» und damit priesterliche Würde zu – eine theologische Prämisse, die auch in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils angelegt ist. Innerkirchlich setzt die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» einen Schwerpunkt auf Verantwortungsteilung und Synodalität. 

Mit «Junia» zur Zulassung zu kirchlichen Ämtern

Einen Schritt weiter gehen Initiativen, die sich nach der symbolträchtigen «Junia» benennen. Hinter «Junia» steht ein Apostel oder eine Apostolin – über den ursprünglichen Namen und seine Zuweisung zu einem Geschlecht gibt es exegetische Diskussionen. Da Paulus sie im Römerbrief erwähnt, muss es sich um eine bedeutende Person der frühchristlichen Antike gehandelt haben. Seit dem 21. Jahrhundert steht «Junia» zunehmend für die Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern, beziehungsweise sakramentlichen Vollzügen.

Trotzdem wollen die Initiatiantinnen der Junia-Initiative keinen «Machtkampf am Altartisch» mit kirchlichen Autoritäten führen.

Unter dem Namen «Junia heute» fordert eine Basisinitiative in Deutschland Zugang von Frauen zu geistlichen Ämtern in der Neuapostolischen Kirche. In der Schweiz schreiben die Initiatiantinnen der «Junia-Initiative» in der römisch-katholischen Kirche: «Wir sind priesterliche Menschen und möchten unseren Auftrag in Einheit mit unserer Kirche leben». Die «Junia-Initiative» wird auch von weiblichen Ordensgemeinschaften mitgetragen. Einige von ihnen fordern, das «Ideal des Gehorsams den geweihten Männern gegenüber, seien es Priester, Bischöfe und andere mit Macht ausgestattete Hierarchien» abzulegen: «Wir Ordensschwestern sollten uns nicht scheuen, so zu handeln, denn es ist ein vor Gott verantworteter Ungehorsam. Tun wir – im Hören auf Gott – was der Geist uns eingibt», schreibt Sr. Ingrid Grave, Dominikanerin im Kloster Ilanz. 

Trotzdem wollen die Initiatiantinnen der Junia-Initiative keinen «Machtkampf am Altartisch» mit kirchlichen Autoritäten führen. Die sakramentale Sendung – also das Recht, in der seelsorgerlichen Begleitung auch die Absolution zu sprechen und die Krankensalbung zu vollziehen – soll allen Getauften gemäss ihren Gaben und Berufungen offenstehen.

Die Frauenfrage in der weltweiten Ökumene

In der Schweiz und in Deutschland ist innerkatholisch ein religions- und liturgierechtlicher Reformdruck vorhanden. Ob die Anliegen Erfolg haben werden, ist momentan schwer abzuschätzen. Einmal sind zentrale theologische Auffassungen berührt. Im Falle der Nichtzulassung von Frauen zum geweihten Amt in der römisch-katholischen und orthodoxen Tradition geht es um die Frage nach Christusrepräsentanz. Die Tradition legt Wert darauf, dass die Person, die Jesus Christus am Altar repräsentiert, durch das männliche Geschlecht die «natürliche Zeichenhaftigkeit» repräsentiert.

Diese Logik gerät zunehmend unter Druck, und dies nicht nur, weil die christlichen Kirchen der reformatorischen Tradition seit einigen Jahrzehnten andere Antworten finden. Sollte in Zukunft die Auffassung von «Geschlecht» als nicht mehr ausschliesslich biologische Kategorie mehrheitsfähig werden, wird dies Folgen für theologische Denksysteme haben. In der christlichen Ökumene zählen aber nicht allein theologische (Sach-)Argumente, sondern auch die Beziehungen der verschiedenen Kirchen untereinander. Daher ist es unschwer zu erkennen, dass die Frauenfrage noch viel Diskussionsstoff und theologischen Streit bergen wird.

Hürden für buddhistische Nonnenordination

In der Öffentlichkeit weniger bemerkt, aber intern ähnlich kontrovers, sind die Bemühungen um die Gleichstellung von Frauen im Buddhismus. Gleichberechtigung von Frauen war von Anfang an ein schwieriges Thema, wie es im Palikanon nachzulesen ist. So berichten die Quellen von Buddhas Ziehmutter, die dreimal um die Errichtung eines Nonnenordens bat. Buddha lehnte dreimal ab. Erst auf Bitten seines Lieblingsjüngers Ananda, der grundsätzlich nach der Erleuchtungsfähigkeit von Frauen fragte, willigte er ein, Frauen als Nonnen zu ordinieren. 

Gerade der tibetische Buddhismus zeigt sich Frauen gegenüber besonders streng.

Historisch gesehen dominiert eine patriarchale Sicht. Gerade der tibetische Buddhismus zeigt sich Frauen gegenüber besonders streng. Für Frauen wurden acht zusätzliche Regeln eingeführt, die eine Unterordnung des gesamten Ordens unter einen Mönchsorden, und eine Unterordnung aller Nonnen unter jeglichen Mönch vorsehen. Gleichzeitig wurde die religiöse Unterstützung von Mönchsorden gefördert, das Spenden an Nonnen hingegen als weniger verdienstvoll abgewertet.

Wie die Professorin Carola Roloff und Nonne Bhikshuni Jampa Tsedroen schreiben, waren dies Massnahmen, um die starke Anziehungskraft des klösterlichen Lebens für Frauen zu brechen. Zu jeder Zeit übte der Weg in die religiöse Lebensführung und Selbstbestimmung eine grosse Anziehungskraft für Frauen aus – in Indien aber starben Nonnenorden aufgrund des gesellschaftlichen Drucks aus. In anderen Ländern wie Tibet kam es zu Unterbrüchen. 

Erleuchtung steht über allen Geschlechterkategorien

Gleichzeitig kennt die buddhistische Tradition durchaus historische Vorbilder und theologisch kraftvolle Erzählungen – wie diejenige über die Prinzessin Yeshedawa, die gelobt haben soll, bis zur endgültigen Erleuchtung nur noch als Frau wiedergeboren zu werden. Sie wollte damit aufzeigen, dass die «Leerheit» als Ziel buddhistischer Erleuchtung über allen Geschlechterkategorien steht. In der Praxis aber erkennen engagierte Buddhistinnen und buddhistische Feministinnen konkreten Aufholbedarf.

Im tibetischen Buddhismus steht ein Klosterstudium Frauen erst seit den 1980er Jahren offen; bislang gibt es drei weibliche Reinkarnationen früherer Meister und nur wenige tibetische voll ordinierte Bhikṣuṇīs. Religionsrechtlich gesehen handelt es sich bei den meisten «Nonnen» demnach um Novizinnen beziehungsweise je nach Tradition um Postulantinnen. Frauen, die den tibetischen Buddhismus praktizieren, können bislang eine «volle Ordination» nur «in Korea, Taiwan, Hongkong oder bei Mönchen und Nonnen im vietnamesischen Exil» erhalten. Ob und wie eine Ordination von Frauen im tibetischen Buddhismus – und damit auch eine Nonnenkultur – ermöglicht beziehungsweise wiederhergestellt werden kann, ist Gegenstand von Debatten auf Fachtagungen und internationalen Konferenzen.

© Frankhuang/iStock

Die religionswissenschaftliche Forschung in der Schweiz fokussiert hinsichtlich der Rollen von Frauen im Buddhismus bislang auf Migrant:innen. Unter Gruppen aus Vietnam zum Beispiel, die zur Mahayana-Tradition gehören, stellen Frauen die Mehrheit. Die Diaspora-Situation führt zu «einer Erweiterung von Handlungsoptionen» für weibliche Laien, die zwischen 80 und 90 Prozent ausmachen und häufig über ein akademisch hohes Niveau verfügen. Dieser beschränkt sich aber meist auf die Vertretung des Vereins nach aussen, während innerhalb nach wie vor überwiegend Männer Führungspositionen einnehmen.

Das Netzwerk der «Töchter des Buddha»

Eine schulenübergreifende Bewegung, vor 35 Jahren gegründet und getragen von Nonnen- und Laienfrauen, ist «Sakyadhita», «Töchter des Buddha». Anfänglich stand die Nonnenordination im Vordergrund. Doch da das ausrichtende Gastland wechselt, rücken auf den Konferenzen auch andere Themen in den Fokus. Das Netzwerk hat bereits einiges erreicht. In Sri Lanka wurde die abgebrochene Tradition der weiblichen Ordination wiederbelebt – und so können über 1’000 Frauen als vollordinierte Nonnen studieren und geistliche Ämter übernehmen.

«Wir müssen viel radikaler werden, wenn wir das Patriarchat beenden und den Planeten retten wollen.»

Ayya Yeshe

Für reformorientierte Buddhist:innen ist das ein guter Anfang, aber noch längst nicht alles. Schwierig ist die Frage des angemessenen Vorgehens. Auf Konfrontation zu gehen, liegt vielen Buddhist:innen fern. Sie bevorzugen Solidarität aller Geweihten untereinander, ein freiwilliges Teilen von Macht und Ansehen. Andere reagieren frustriert auf den Reformstau, dem mit Freundlichkeit nicht (mehr) beizukommen sei. Ayya Yeshe, eine tibetisch-buddhistische Nonne, schreibt: «Wir müssen viel radikaler werden, wenn wir das Patriarchat beenden und den Planeten retten wollen.»

«Sakyadhita» wurde von Nonnen aus Deutschland, den USA und Thailand gegründet. Der Bewegung kommt zugute, dass der Dalai Lama seinerzeit die Schirmherrschaft für die erste «Conference on Buddhist Nuns» übernommen hatte. In der Schweiz ist das Tibet-Institut Rikon eine zentrale Stelle für die religiösen Anliegen tibetischer Buddhistinnen. Zum Institut gehören heute sieben Mönche. Im Programm «Science meets Dharma» will das Institut aber den Dialog zwischen Mönchen und Nonnen einerseits und Laien andererseits fördern. Daneben unterstützt das Institut punktuell die «Tibetan Women’s Association» (TWA), die jährlich persönlichkeitsbildende Kurse für Nonnen in Form von zehntägigen Workshops in Dharamsala durchführt.

Ein Querschnittsthema durch viele religiöse Traditionen

Diese Beispiele aus der römisch-katholischen und der tibetisch-buddhistischen Tradition zeigen, dass Gleichberechtigung in religionsrechtlicher und rituell-liturgischer Hinsicht ein Querschnittsthema ist. Es betrifft auch andere Religionen mit einer langen Geschichte und einem reichen kulturellen Erbe: zum Beispiel bei der Frage, ob Musliminnen als Imame tätig sein können, oder Jüdinnen als Rabbinerinnen.

Auch wenn natürlich Unterschiede bestehen, findet sich eine Herausforderung überall: Wie der Einsatz von Frauen für mehr Rechte mit den religiös propagierten Tugenden der Demut, Bescheidenheit und Selbst-Zurücknahme zusammengehen kann.


Zum Weiterlesen:

  • www.gleichwuerdig.ch
  • www.juniainitiative.com
  • Sr. Ingrid Grave: Junia-Initiative und Frauenorden, in: klosterilanz.ch, 17.05.2020
  • Klein, Mechthild: Buddhas Töchter – auf Augenhöhe mit den Männern», in: Deutschlandfunk 20.03.2019
  • Roloff, Carola: Nonnenordination bald im tibetischen Buddhismus? Dalai Lama engagiert sich für die Nonnen, in: Tibet und Buddhismus 4 (2006), 20–23.
  • Ayya Yeshe: Frauen müssen radikaler werden! In: Buddhismus aktuell 2020/1

Weitere Artikel

Autor

  • Ann-Katrin Gässlein

    Religions- und Islamwissenschaftlerin und katholische Theologin ||| Ann-Katrin Gässlein ist Religions- und Islamwissenschaftlerin und katholische Theologin. Sie forscht an der Uni Luzern über religionsverbindende Feiern und Rituale in der Schweiz und arbeitet in St. Gallen beim Team der Cityseelsorge.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.