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Manuela Türkel

«Wenn ich einmal gross bin, werde ich eine andere Religion haben»

Aufgewachsen in einem multikulturellen und multireligiösen Umfeld, war für mich schon als Kind klar, dass mich andere Religionen und Kulturen anziehen. Mit meinem Mann und seiner Familie fand ich als Erwachsene zum Islam, was für meine katholische Familie anfangs schwierig war. Heute weiss ich, eine Konversion braucht von allen Seiten Geduld, Liebe und Respekt.

Als Tochter einer italienischen Familie mit italienischem Restaurant wuchs ich praktisch zusammen mit den Mitarbeitenden aus diversen Ländern und mit unterschiedlichen Religionen auf. Ich bin froh und dankbar, durfte ich diese tollen Menschen verschiedenster Kulturen und Religionen kennenlernen. So wurden mir Multikulturalität, Verständnis fürs Anderssein, Toleranz, Respekt, Menschenliebe sowie viele andere wichtige Werte für ein friedliches Zusammenleben bereits in die Wiege gelegt – dafür bin ich meinen Eltern von Herzen dankbar.

Ich weiss noch, als ich etwa sechs Jahre alt war, lag ich einmal auf dem Boden vor dem Fernseher und es lief eine Sendung über die verschiedenen Kulturen und Religionen. Da sagte ich mir: «Wenn ich einmal gross bin, werde ich auch eine andere Religion haben».

Und dann, rund 13 Jahre später, also kurz nach meinem 19. Geburtstag, konvertierte ich tatsächlich – aus freien Stücken und Überzeugung – zum für mich wundervollen Islam, nachdem ich meinen Ehemann und seine liebenswerte Familie kennengelernt hatte. Ich hatte das grosse Glück, vertrauensvolle Menschen um mich herum zu haben, die mir den Islam auf eine schöne und positive Art und Weise vorlebten und beibrachten. Ich hatte viele Fragen und es gehört zu meiner Wesensart, dass es viel braucht, bis mich etwas wirklich überzeugt. Mit dem Islam habe ich einen wertvollen Schatz gefunden, welcher alle Antworten auf meine Fragen bereithält, die nicht nur meinen Intellekt, sondern vor allem mein Herz zufrieden stellen.

Ein Zeichen von Allah

Der Beweis manifestierte sich wie folgt: Es ist vielerorts in der Türkei sowie in anderen muslimischen Ländern Brauch, die Hände der Braut mit Henna zu verzieren. Bei meiner Hochzeit legte man mir je einen Henna-Klecks in die Handflächen und darauf eine Goldmünze. Ich schloss sie und wusch sie erst am Abend vor dem Zubettgehen aus. Am nächsten Morgen betrachtete ich meine Handflächen und ich erkannte ein Zeichen, welches ich aber nicht sofort zuordnen konnte. Und da! Plötzlich sah ich es: der Henna-Klecks in meiner rechten Hand hatte sich zum arabischen Namen «ALLAH» geformt! Ich war so unglaublich glücklich und mein Herz pochte, denn ich hatte endlich meinen ersehnten Beweis von Allah erhalten. So sagte ich sofort das Glaubensbekenntnis auf und wurde offiziell Muslimin.

HEUTE SEHE ICH ALLAH UND SEIN WIRKEN IN JEDEM DETAIL, NUR DURCH DIE BEOBACHTUNG MEINES UMFELDS, DER NATUR UND IHRER WUNDER.

Der grosse Unterschied zwischen meiner vorgängigen nichtmuslimischen und neu muslimischen Lebensweise war, dass ich vorher Gott immer dann suchte, wenn es mir schlecht ging, und ihn wieder vergass, wenn es mir gut ging. Jetzt weiss ich und spüre, dass Er immer für mich da ist. Deshalb lobpreise ich Ihn tagsüber mehrmals, sei es durch das rituelle Gebet, Bittgebete oder auch die Gedanken an Ihn und Seine vielen Wunder und Zeichen. Ich bin Gott beziehungsweise Allah unendlich dankbar, welche wundervollen Möglichkeiten Er mir täglich bietet. Heute sehe ich Allah und Sein Wirken in jedem Detail, nur durch die Beobachtung meines Umfelds, der Natur und ihrer Wunder.

© ZeynepKaya/iStock

Jetzt als Mutter verstehe ich …

Als italienisch-türkische Familie ist uns die Familie sehr wichtig. Deshalb hat die gute Beziehung zu den Eltern einen hohen Stellenwert. Auch wenn es anfänglich seitens meiner Familie einige Schwierigkeiten gab, meine Konversion zum Islam zu verstehen, haben sich die Geduld, der Respekt und das Aneignen des Wissens über den Islam bewährt. Jetzt, als Mutter, verstehe ich, dass sich meine Eltern einfach nur Sorgen machten. Im Jahr 2002, als ich meinen Ehemann kennenlernte, war die Haltung gegenüber Muslimen aufgrund der Ereignisse des 11. Septembers 2001 nicht gerade rosig. Zudem glaubten meine Eltern, dass ich die muslimische Lebensweise nur meines Ehemannes wegen annahm.

Umso dankbarer war ich, als sie verstanden, dass ich die Religion für mich selbst aus Überzeugung lebte. Ich war immer bemüht, die wertvollen Gemeinsamkeiten, die wir in den Religionen und Lebensweisen haben, in den Vordergrund zu stellen. Heute haben wir ein tolles Verhältnis. Sie akzeptieren und respektieren meine Lebensweise, bereichern mein Leben und machen auch mich glücklich, indem sie dafür sorgen, dass wir uns wohl fühlen und unsere Religion auch bei ihnen zu Hause leben dürfen.

Meine Überzeugung

Dankbar bin ich aber auch dafür, dass ich lernen durfte, den Islam respektive die islamische Lebensweise und gewisse Praktiken (in bestimmten Ländern) auch kritisch zu hinterfragen und Allah zu vertrauen, dass Er mir den richtigen Weg zeigen wird. Allah fordert uns im Qu’ran auf, sich mit der Religion zu beschäftigen und sich Wissen darüber anzueignen. Allah ist barmherzig, der Barmherzigste sogar und auch der Allverzeihende. Die arabische Wortwurzel von «Islam» heisst Frieden.

Mit diesem Wissen und dem Bild eines liebenden und verzeihenden Gottes im Herzen und Kopf, interpretiere und lebe ich den Islam für mich und bringe ihn auch meinen Kindern sowie als islamische Religionspädagogin meinen Schüler:innen in der Moschee bei. So unterscheiden sich meine Ansichten manchmal vielleicht von jenen der Mehrheit der Muslime. Ich weiss, dass Allah in die Herzen der Menschen schaut und sie danach beurteilt und belohnt, und nicht nur aufgrund der sichtbaren Taten oder gar des Aussehens. Und jeder Mensch ist für seine Taten, sichtbar oder nicht, selber verantwortlich und muss sich vor Allah am jüngsten Tag rechtfertigen können. Im Islam ist die Absicht ein wichtiger Faktor, nach dem man von Allah für die eigenen Taten beurteilt wird.

AUCH EMPFEHLE ICH IHNEN, MIT DER KONVERSION ZUM ISLAM NICHTS ZU ÜBERSTÜTZEN. ES IST EIN PROZESS, DER ZEIT, VERSTÄNDNIS, GEDULD UND ERFAHRUNG BRAUCHT.

Wenn ich andere Menschen, besonders junge Frauen, kennenlerne, die zum Islam konvertieren möchten, versuche ich, genau diese Werte zu vermitteln – mit der Absicht, dass sie den Islam mit Liebe und Demut verstehen und leben lernen. Auch empfehle ich ihnen, mit der Konversion zum Islam nichts zu überstürzen. Es ist ein Prozess, der Zeit, Verständnis, Geduld und Erfahrung braucht. Wenn man vom islamischen Weg respektive der Lebensweise überzeugt ist, ist es wichtig, den Mut nicht zu verlieren und auf Allah zu vertrauen, dass Er stets das Beste für uns vorsieht, uns immer begleitet (50. Sure «Die Höhle», Vers 16: «… und Wir sind ihm doch näher als seine Halsschlagader, …») und uns den für uns richtigen Weg durch Seine vielfachen Zeichen aufzeigen wird. Als Anerkennung drücken wir Ihm unsere Liebe und Dankbarkeit aus, in dem wir möglichst Seinen Anweisungen im Qur’an folgen, Seiner gedenken und Ihn lobpreisen. So schenken wir Ihm unsere Hingabe, denn genau das heisst Muslim sein. 

Meine zwei Kinder wachsen ebenfalls mit diesen Werten sowie dem Urvertrauen zu Allah auf, und ich hoffe, dass sie den Islam in ihren Herzen als eine Religion der Liebe, Zuversicht, Hoffnung, Verzeihung, Toleranz und der Dankbarkeit bewahren und leben können und so ihr Leben stets mit einer offenen Wesensart und einem offenen Weltbild innerhalb der islamischen Richtlinien gestalten können. Ein grosser Vorteil dabei ist sicher, dass ich «beide Seiten» kennenlernen durfte und ihnen so aufgrund meiner eigenen Erfahrung aus meiner vorherigen nicht-muslimischen Lebensweise einige Anliegen vielleicht besser erklären oder näherbringen kann. Dafür bin ich dankbar.


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Manuela Türkel-Melillo, geboren 1984, ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen, ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist Inhaberin von «La Sovrana» für «Natürliche & Ganzheitliche Behandlungen, Mittel & Kosmetik» in Wohlen, Kanton Aargau.

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